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«Warst du schon immer polyamor?»

Der Versuch einer Antwort auf die Frage, ob ich schon immer polyamor war.



Dazu gibt es einige Geschichten aus meiner Kindheit und Jugend. Die allerwichtigste ist aber die folgende:


Am Anfang war die monogame Beziehung. Die erste grosse, kribbelnde, höchst aufregende Jugendliebe mit 15 Jahren. Ich blicke gerne zurück auf diese fünf wunderbaren, intimen, herausfordernden, lehrreichen und (fast) monogamen Jahre, denn sie haben mein jetziges Leben nachhaltig und positiv beeinflusst und mir die Augen für die Beziehungsvielfalt geöffnet. Merci Max.


Und dann gab es da noch die Geschichte mit der vier-stündigen monogamen Beziehung. Die ist aber auch für ein anderes Mal. ;-)


Jedenfalls waren Max und ich einander immer treu und der Gedanke, die Beziehung für andere Menschen zu öffnen, streifte unsere Gedanken anfänglich, wenn überhaupt, nur im Kontext der sexuellen Fantasien. Dass es fernab der Monogamie eine ganze Fülle an Beziehungsformen gibt, war uns schlicht nicht bewusst und darum nie Thema.

Nach etwa drei Jahren Beziehung lief mir schliesslich – also um genau zu sein, hat Max uns einander vorgestellt – die fast unwiderstehliche, lockige Versuchung namens Patrick über den Weg und da tauchte bei mir erstmals flüchtig der Gedanke auf, ob es abwegig wäre, mit zwei Männern gleichzeitig eine Beziehung zu führen.

Dann war das Thema da.


Die Beziehung zu Max wollte ich nämlich nicht einfach aufgeben, nur weil da ein Lockenkopf in mein Leben spaziert war. Dafür war sie viel zu schön und eingespielt. Fast wie gut eingetragene Finken. ;-) Und doch war da diese Anziehung und diese grosse Neugierde für Patrick. Das Allerschönste; Zeit mit beiden zu verbringen. Gemeinsam bis in die tiefe Nacht wach bleiben, über Gott und die Welt diskutieren und dazu Uno mit Sonderregeln spielen. Ich erinnere mich, dass Patrick an einem solchen Abend den letzten Zug verpasste und darum auf der Couch im Wohnzimmer schlief. Ich lag wach neben Max im Bett und rätselte, wie es wohl wäre, jetzt neben Patrick zu liegen. Diesen Gedanken schob ich rasch wieder beiseite, denn: «Das geht doch nicht?!».


Alles blieb also beim alten. Also nicht ganz; Max und ich blieben unzertrennlich exklusiv. Der Kontakt zu Patrick brach ab. Einige Jahre lang sahen und hörten wir uns nicht mehr.


Bis ich ihn schliesslich bei meiner WG-Zimmer-Suche im Internet zufällig wiederfand und ein gemeinsames Nachtessen dazu führte, dass ich dann schliesslich doch in seine WG zog, obwohl ich das anfänglich gar nicht wollte. Also aufgrund des Ortes. Nicht wegen Patrick.


Irgendwann nachdem ich bei Patrick eingezogen war, beschlossen Max und ich an einem Festival beiläufig, morgens im Zelt, dass es wohl besser wäre, emotional getrennte Wege zu gehen. Freundschaftlich und einvernehmlich. Den Rest des Festivals genossen wir gemeinsam und auch sonst änderte sich zwischen uns nicht viel, ausser dass wir nun frei waren, zu tun und lassen, was wir mochten und dass «das» zwischen uns nun keinen Namen mehr hatte.


Nach und nach entwickelte sich aus der Freundschaft zu Patrick etwas mehr. Welch grosse Überraschung! Auch etwas ohne Namen. Etwas, dass für alle drei Beteiligten irgendwie stimmig war. Schliesslich verbrachten wir ganz selbstverständlich zu dritt eine hervorragende Winterferienwoche im Berner Oberland in der Wohnung von Max. Was für ein Geschenk, eine ganze Woche mit seinen beiden Lieblingsmenschen verbringen zu dürfen.


Abends schlief ich nun neben Patrick ein. Und rätselte, wie es wohl wäre, neben Max zu liegen. Mehrmals war ich versucht, meinen Arm auszustrecken und ihn neben mir auf die Luftmatratze zu ziehen. Links von mir Patrick. Rechts von mir Max. Ich in der Mitte. Vollkommenheit.

Ich habe mich nicht getraut. Max hat sich nicht getraut. Patrick hat sich nicht getraut. Irgendwie glaubten wir wohl immer noch, wir müssten in das uns vermittelte Bild von Beziehung passen. Mit etwas mehr Kommunikation über den unübersehbaren, rosaroten Elefanten im Raum hätten wir es vielleicht geschafft, dem «etwas» einen Namen zu geben und es nach unseren Wünschen und Bedürfnissen zu formen und zu verändern.


So aber verpuffte der Elefant, fast wie eine anfänglich vielversprechend schimmernde Seifenblase, lautlos irgendwo im Nirgendwo. Und als Patrick schliesslich ein Jahr später meinte, dass er sich nun vorstellen könnte, mich offiziell seine Freundin zu nennen, war mir klar, dass ich fortan polyamor unterwegs sein will. Darüber gibt es hier einen Beitrag.



Mit diesem Gedanken schliesse ich den Versuch einer Antwort auf die eingangs gestellte Frage:


In dem Jahr bis ich schliesslich offiziell die Freundin von Patrick war und darüber hinaus, beschäftigte mich immer stärker die Frage, was denn theoretisch eigentlich genau der Unterschied zwischen (m)einem besten Freund und (m)einem Freund ausmacht und wieso ich überhaupt einen machen muss. Ich kam zum Schluss, dass mir sowohl mein Freund wie auch mein bester Freund emotional gleich nahe stehen können. Dass aber beim Freund auch Kuscheln, Zärtlichkeiten und Sex dazugehören. Aha, interessant. Und irgendwie unlogisch hier die Grenze zu ziehen. Denn geht eine auf Liebe, Zuneigung und Wertschätzung beruhende Beziehung nicht weit über die Sexualität und deren Exklusivität hinaus ... ?






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