Gründe für Streit wegen Sex
Häufigkeit: Unterschiedliche Bedürfnisse nach Sex.
Verführung: Wer verführt? Wer wird verführt?
Lust / Unlust: Eine Person möchte, die andere nicht.
Vorstellungen und Erwartungen: Verschiedene Bedeutungen von Sex.
Treue / Untreue: Fragen zu Grenzen, Betrug und Beziehungsform (monogam, offen, polyamor ...)
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Herausforderungen im Umgang mit Konflikten
Anti-verführerische Dynamiken
Streit führt oft zu abwertender Sprache, die Lust mindert.
Man kann stundenlang darüber streiten, wer Recht hat. Oftmals schleichen sich dann über Zeit eine anti-verführerische Sprache und Umgang in die Beziehung ein, die für eine lustvolle Sexualität und ehrliche Begegnung nicht förderlich sind. Damit meine ich, dass viele von uns schon als Kind gelernt haben, dass wir einfach lauter schreien, trotzen oder verweigern müssen, um zu bekommen, was wir wollen. Und dann sagen wir abwertende oder bewertende Sätze, die Drohungen oder unfaire Forderungen enthalten, um unser Ziel zu erreichen und unser Bedürfnis auszudrücken. Ziemlich unsexy, oder? Zum Glück gibt es Alternativen, die sich für die Erfüllung der eigenen Bedürfnisse besser eignen und förderlicher sind für die Lust.
Druck auf die Lust führt zu Frust
Hoher Druck erzeugt Frustration und verhindert das Entstehen von Erregung und Intimität.
Lust braucht Raum und Sicherheit und Vertrauen, um sich entfalten zu können. Denn Druck führt dazu, dass die muskuläre Spannung zunimmt, was das Einströmen des Blutes in die Genitalien und somit das Auslösen der Erregung erschwert oder verhindert. Dein System macht ständig eine “Kosten-Nutzen-Analyse” und kommt irgendwann zum Schluss, dass sich Sex so sowieso nicht lohnt.
Ein "Nein" zum Sex ist kein "Nein" zur Person
Ein “Nein” wird oft auf sich selbst bezogen, was zu Verletzungen und Kränkungen führt.
Nimm es nicht persönlich! Das ist schwierig, wird mit der Zeit aber einfacher. Gerade in der Sexualität wird es oft sehr schnell persönlich. Darum sind diese Konflikte auch häufig hochintensiv und brauchen Begleitung durch eine “neutrale” Person. Da wird das “nein” des Gegenübers zu einem Angebot plötzlich ein “nein” zu dir als Person und du hörst: “Ich bin nicht okay, so wie ich bin. Was ich möchte, ist nicht richtig”. Anstatt das “nein” bei deinem Gegenüber zu lassen. Und das erzeugt oft Scham. Und Scham führt dazu, dass wir uns verstecken und nicht mehr zeigen mit dem, was uns wirklich wichtig ist. Da hilft nur eins: Sie ins Licht bringen, sie teilen, sie an- und aussprechen. Übrigens fragen wir viel häufiger, warum jemand “nein” sagt zu Sex, als dass wir fragen würden, warum jemand “ja” sagt zu Sex. Da fänden wir wahrscheinlich auch nicht alle Gründe gleich gut. 😉
Studien zeigen, dass wiederholte, ungelöste Konflikte langfristig der Beziehung schaden. Gemeinsam eine bessere Streitkultur zu entwickeln, lohnt sich also!
Lösungsansätze: Verführung und Kommunikation
Verführung als Projekt: Die Lust wecken
Lust kann geweckt werden. Nicht jede Verführung wird erfolgreich sein – nimm es nicht persönlich.
Sex ist immer auch eine Art Projekt. Eine Person möchte die andere Person für ihr Projekt gewinnen. Wie gelingt das am besten? Lass mich ein Beispiel machen: Man sagt, der Appetit komme mit dem Essen. * Vielleicht hast du gerade keine Lust auf Kuchen. Aber stell dir vor, der Duft von frischgebackenem Kuchen weht durch die Wohnung und neben einer Tasse Tee steht, hübsch präsentiert, ein Stück deines Lieblingskuchens für dich parat. Könntest du widerstehen? Würdest du reinbeissen? Das ist Verführung: Du bäckst den Kuchen, richtest ihn für deinen Herzensmenschen hübsch her und überlässt es der Person, ob sie zubeisst oder nicht. Du weisst um deine Kompetenz im Kuchenbacken und nur weil dein:e Partner:in gerade keine Lust hat auf Kuchen, macht dich das nicht zu einem schlechten Bäcker:in. Ein Projekt hat immer auch das Risiko, dass es misslingt. Dass du nicht bekommst, was du dir wünscht. Wie kannst du damit umgehen, wenn deine Verführung nicht auf das gewünschte Resultat stösst? Kannst du dann bei dir und in deiner Kompetenz bleiben? In deiner Zentrierung? Dich weiterhin begehrenswert und sexy fühlen? Oder nimmst du es dann persönlich, schmeisst den ganzen Kuchen weg und verlässt händeringend den Raum?
*Das Bild von spontaner Sexualität dominiert: In Filmen und Serien fallen Menschen scheinbar grundlos übereinander her und erleben mühelos perfekten Sex. Das prägt unsere Erwartungen – an uns selbst und an "guten Sex". In der Realität, vor allem in Langzeitbeziehungen, funktioniert Sexualität jedoch oft reaktiv: Erst entscheidet man sich bewusst für Nähe, dann entsteht Lust – oder auch nicht. Übrigens: Dich aktiv mit deiner Lust zu verbinden, kannst du lernen.
Selbstverantwortung: Übernimm Verantwortung für deine Emotionen und deine Lust und suche die Schuld nicht beim Gegenüber
Jede:r ist für seine eigene Lust und das eigene Erleben verantwortlich.
Lass uns festhalten: Sex ist ein Projekt, welches Kompetenzen in der Verführung braucht. Wenn die Verführung misslingt, nehmen wir das häufig persönlich und zweifeln wahlweise an uns oder schieben das Problem zu:r Partner:in. Vor allem, wenn sich die Erfahrung wiederholt. Aber, Sex funktioniert vor allem dann gut, wenn du bei dir und dein:e Partner:in bei sich ist. Wenn du Verantwortung für dich und dein Erleben übernimmst und nicht dein Gegenüber verantwortlich dafür machst, was bei dir präsent ist. Und umgekehrt. Und wenn es Raum gibt, über das, was bei euch jeweils präsent ist, zu sprechen.
Konflikte als Wachstumschance
Streit als Einladung: Wachstum statt "Recht haben"
Streit als Einladung: Konflikte bieten die Möglichkeit, sich selbst und die Partner:in besser kennenzulernen.
Zurück zum Streiten. Kennst du die Songlyrics “Ich bin zwar tot, aber ich hatte Vorfahrt” der deutschen Band Grossstadtgeflüster? Etwa so kommt mir Streiten manchmal vor. Wir wollen unbedingt Recht haben und die gefühlte Selbstgerechtigkeit, wenn wir uns durchsetzen können, mag für den Moment befriedigend sein, führt aber längerfristig wohl kaum zu mehr Verbindung und Einigung. Im Gegenteil. Beide Personen werden sich längerfristig ungehört und unverbunden fühlen. Was über Dauer zur Entfremdung und irgendwann zum Beziehungsaus führt. Denn wer will denn ewig aneinander vorbeileben in einer Beziehung? Im Streit geht es vielmehr darum, sich selbst und die andere Person besser kennenzulernen. Wie funktioniere ich? Wie funktioniert mein:e Partner:in? Wie kommt die Person zu ihrer Ansicht? Ich sehe Streit darum als eine Einladung, zu wachsen. Das Selbstbild und das Bild über die Partner:in weiterauszudifferenzieren.
Von "Recht haben" zu Verbindung: Miteinander wütend sein anstatt gegeneinander.
Beide haben recht! Anstatt Positionen zu verteidigen, sollten wir auf Bedürfnisse und Emotionen hören.
Wir können stundenlang darüber streiten, wer Recht hat oder warum eine Position gerechtfertigt ist. Das können wir uns schenken. Denn: Beide haben recht. Da wir alle in unserer subjektiven Wahrnehmung und Welt leben und jede Situation anhand unserer gemachten Erfahrungen und unserer Persönlichkeit bewerten, kann es gar nicht anders sein, als dass wir beide Recht haben. Du für dich und ich für mich. Was eine andere Person sagt, hat mehr mit ihr zu tun als mit dir. Du kannst dich also immer fragen, was offenbart dir eine Person gerade über sich? Was erfährst du gerade über sie? (Darüber habe ich hier einen Text geschrieben, als mich ein Mann nach dem Sex als Frau mit ein paar Kilos zu viel beschrieben hat). Eigentlich könnte man sich also am Anfang jedes Streits darauf einigen, dass beide Recht haben. Und doch versuchen die meisten Menschen, ihr Gegenüber von ihrem Standpunkt zu überzeugen und ich glaube das ist, weil wir in unserer Wahrheit gesehen und gehört werden wollen. Weil wir zugehörig sein möchten, mit unserem Blick auf die Welt. Weil wir in unseren Bedürfnissen und Emotionen gesehen werden möchten!
Frage "wofür" anstatt "worüber": Fokus auf Bedürfnisse und Emotionen.
"Wofür" anstatt "worüber": Das macht Bedürfnisse und Emotionen sichtbar.
Eine Frage, die hilft, den Fokus weg vom “Recht haben” und hin zu Verbindung zu bringen ist: Wofür streiten wir? Oftmals geht es ums “worüber”: Die Häufigkeit des Sex, wie Sex aussehen sollte, das Gefühl von Fairness ... Wechseln wir den Blickwinkel von “worüber” zu “wofür” entsteht schon Luft für ein Gespräch, für neue Erkenntnisse und für Empathie. Mit der “wofür”-Frage entsteht eine Einladung, hinzuschauen, wofür sich jemand einsetzt. Welches Bedürfnis sich jemand erfüllen möchte. Worum geht es einer Person in ihrer Position? Aus diesem “echten Zuhören” entstehen oftmals wie von selbst Lösungen, respektive die Bereitschaft der beiden Partner:innen, dem Leben der anderen Person beizutragen, sich entgegenzukommen, Dinge auszuprobieren und anzupacken. Kurz: Sich der Veränderung hinzugeben. Und dann streiten wir nicht mehr gegeneinander, sondern miteinander.
Wie lässt sich das jetzt konkret umsetzen?
Praktische Tipps für bessere Gespräche
Angenehme Gesprächsatmosphäre schaffen: Schafft einen sicheren, gemütlichen Raum für Gespräche.
Zum Beispiel gemütlich eingerichtet mit Kissen auf dem Boden. So, dass du deine:r Partner:in gut gegenübersitzen kannst und dein sie/ihn betrachten kannst. Dann schaut euch einen Moment lang schweigend an und ruft euch so viele Dinge wie möglich in Erinnerung, die ihr an eurem Herzensmenschen schätzt und sei es “nur”, dass sie/er gerade mit dir hier sitzt und bereit ist, dieses Gespräch zu führen. Seid ihr beide parat für das Gespräch? Macht nur dann weiter, wenn beide ihre Zustimmung geben können.
Zuhören und spiegeln: Eine Person spricht und die andere hört zu und spiegelt, was verstanden wurde. Dann wechseln.
Wenn du zuhörst: Es geht nicht um dich. Was sagt dir deine Partner:in gerade? Was kannst du lernen? Wie konstruiert die Person ihre Welt? Was ist ihr wichtig? Wovor hat sie Angst? Alles, was du jetzt hörst, ist ein Ausdruck davon, was bei deine:r Partner:in präsent ist. Es hat nichts mit dir zu tun. Verbinde dich mit deiner Neugier: Welche Gefühle und Bedürfnisse hörst du? Dann spiegle die Gefühle und Bedürfnisse zurück.
Wenn du sprichst: Sprich möglichst offen und vulnerabel. Wovor hast du Angst? Worum geht es in deiner Position? Was wünscht du dir? Wofür setzt du dich ein? Was ist dein Bedürfnis? Welche Gefühle zeigen sich? Wie machst du dir das Thema persönlich? Was hat es mit dir und deinen Erfahrungen zu tun? An was erinnert dich das? Sprich von dir und deinem Erleben. Lass Kritik möglichst weg und sprich nur von dem, was bei dir gerade präsent ist.
Fokus auf Gefühle und Bedürfnisse: Mit Neugierde und Interesse zuhören
Lasst die vier apokalyptischen Reiter – Kritik, Verachtung, Rechtfertigung und Mauern –grosszügig weg. Hört stattdessen auf Gefühle und Bedürfnisse. Einige Sätze, die das zum Ausdruck bringen:
“Ich stelle mir vor, dass du dich unsicher/wütend/frustriert/traurig ... machst”.
“Ich stelle mir vor, du brauchst xy”
“Ich höre, dass es dir um xy geht”
“Ich sehe, dass meine Handlung/meine Aussage bei dir xy auslöst”
“Ich schätze dich dafür, dass du das mit mir teilst”
“Wie fühlst du dich damit?”
“Was löst das bei dir aus?”
“Was hättest du dir gewünscht?”
“Wie kann ich dich dabei unterstützen?”
Bedanken und Raum schliessen: Findet eine für euch passende Art, das Gespräch zu schliessen und euch zu bedanken.
Findet eine für euch passende Art, euch für das Gespräch zu bedanken und den Raum zu schliessen. Das ist besonders wichtig, wenn ihr viele Erfahrungen mit unguten Gesprächen habt. So kann euer System wieder lernen, dass Gespräche durchaus zu etwas Gutem führen können. Und es ist auch ein Zeichen der Wertschätzung an dich und deinen Herzensmenschen.
Übung und Geduld: Neue Gesprächsformen brauchen Zeit und Wiederholung.
Und wenn das Gespräch zum Streit wird, dann macht eine Pause und vereinbart, wann ihr wieder zusammenkommt (in 20 Minuten, 3 Stunden, übermorgen ...). Was brauchst du jetzt, um gut für dich zu sorgen und dich zu regulieren? Spaziergang, Gespräch mit Freund:innen, Tanzen, Sport, den Emotionen freien Lauf lassen (ins Kissen schreien, weinen, etc.), Schreiben, Ablenkung ...? Wenn dir Streit Angst macht, dann erinnere dich daran, dass Streiten auch das Potenzial birgt, dass wir dadurch ganz werden können, wenn wir uns darauf einlassen.
Reparatur nach Streit: Nach Konflikten braucht es liebevolle Gesten und Worte zum Stärken der Verbindung.
Nach dem Streit fühlen sich die meisten Menschen verletzlich. Nie mehr über den Streit zu sprechen oder sich gegenseitig meiden, als Strategien, sich nicht mehr damit auseinandersetzen zu müssen, sind keine so guten Ideen. Langfristig wird das bloss eure Herausforderungen verstärken und nicht zu mehr Nähe und Verständnis führen. Was ist besser? Aktive Wiedergutmachung! Balsam und Pflege für die Verbindung. Ein erneutes “Ja” zur Beziehung. Wie beim japanischen Kintsugi kleben wir gemeinsam die Bruchstellen mit Gold wieder zusammen. Das kann mit einer tröstenden Umarmung geschehen, mit lieben Worten, mit einer aufmerksamen Geste ...
Welche Strategien nutz ihr?
Könntet ihr ein Ritual etablieren?
Wenn es alleine nicht klappt: Dann holt euch unbedingt Hilfe
Wenn die Gespräche auch mit Zeit und Übung nicht besser werden, dann holt euch externe Unterstützung. Das zeugt von einem starken “Ja” zur Beziehung.
Kreative Ansätze für Streitgespräche
Ich hatte die letzten Jahre viel Gelegenheit, mich mit Streit zu beschäftigen. Dabei sind einige kreative Ansätze entstanden, die bestimmt nicht für alle sind und doch einen Mehrwert bieten können:
Rollentausch: Perspektive wechseln und Streit nachspielen
Stellt euch vor, ihr würdet den Streit auf einer Bühne aufführen. Wechselt die Rollen und imitiert die andere Person – Sprache, Körpersprache, alles. Nach 4 Minuten reflektiert ihr: Wie hat sich der Rollenwechsel angefühlt? Was habt ihr über euch und die andere Person gelernt? Wo wurde es lustig, ernst oder emotional?
Flüsternd streiten: Fordert Konzentration auf das Wesentliche
Führt euren Streit flüsternd. Ohne Lautstärke müsst ihr Emotionen klarer (verbal) ausdrücken (anstatt über die Lautstärke der Stimme) und konzentriert euch eher auf eure Gefühle und Bedürfnisse statt auf Kritik oder Beleidigungen.
Streiten in der Öffentlichkeit: Kann helfen, respektvoll und moderiert zu bleiben
Ein Gespräch in einem öffentlichen Raum wie einem Park oder Restaurant hilft oft, den Ton zu mässigen. Die Umgebung kann dazu anregen, respektvoller und konstruktiver zu bleiben und weil das Gespräch immer wieder von aussen unterbrochen wird, können keine Negativspiralen entstehen.
P.S. Du willst mehr solche Tipps zu Beziehung und Sexualität und ein bisschen Alltagsglitzer und geführte Körperreisen für ein lustvolles Bewohnen deines Körpers? Werde Teil meiner wachsenden und tollen Telegram-Community.
P.P.S. Meine Telegram-Community. bekommt zu diesem Text exklusiv eine Audio-Aufnahe dazu, die mich und einen Herzensmenschen beim Gespräch zeigt.
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