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«Entschuldigung, wie kann ich die Welt retten?»

Wie ich Mike kennengelernt habe.

Im März 2019 trat ich meine neue Stelle als Kommunikations- und Projektmanagerin in Bern an. Ich genoss es, den Arbeitsweg endlich wieder mit dem Zug zurückzulegen und dabei meine Lieblingsmusik zu hören, die vorbeiziehende morgendliche Landschaft zu bestaunen, mir Geschichten für die Menschen um mich herum auszudenken oder die Nase tief in ein Buch zu stecken.


In der zweiten Arbeitswoche sass ich frühmorgens mit Lieblingsmusik in den Ohren und Buch in den Händen wiederum im Zug – die gefrorenen Wiesen glitzerten in der goldenen Morgensonne und die Farben schienen besonders kontrastreich – da setzte sich plötzlich kurz vor Herzogenbuchsee– zack – dieser gutaussehende Mann vis-à-vis von mir auf den letzten freien Platz ans Fenster in «unserem» Abteil und musterte mich mit seinen aufmerksamen Augen forschend.

Und klar wurde ich neugierig. Umso mehr, weil er einer der einzigen war, der weder Stöpsel in den Ohren noch sein Telefon in den Fingern hatte. Einfach machen wollte ich es ihm jedoch auch nicht und Lust auf neue Begegnungen hatte ich schon gar nicht. Also schwieg ich und tat so, als wäre ich extrem vertieft in das Buch «Jetzt retten wir die Welt», ein Geburtstagsgeschenk von Patrick, dass voll ins Schwarze traf. ;-)


Jetzt retten wir die Welt


In Tat und Wahrheit war ich mehr beschäftigt damit, mein Gegenüber nicht zu sehr zu mustern und nicht mit meinen Augen an ihm kleben zu bleiben. Mike räusperte sich mehrmals, strich sich mit der rechten Hand durch sein Haar, holte Luft und beim vierten Anlauf kurz vor Bern brachte er schliesslich die Worte: «Entschuldigung, wie kann ich die Welt retten?» heraus.


Erleichtert nahm ich die Stöpsel aus meinen Ohren (irgendwie hätte es mich doch gewurmt, wäre da keine Konversation zu Stande gekommen), lächelte ihn erfreut an und begann breitwillig von den Buchinhalten, welche ich schon fast vollständig verschlungen hatte, zu erzählen. Wissen ist schliesslich sexy, oder? Angesichts der davonrennenden Zeit – ein Zug steht eben nicht still, auch wenn es die Zeit zu tun scheint – schlug ich letztlich vor, Mike könne das Buch, sobald ich es fertig gelesen hätte, sehr gerne ausleihen.


Aus der Tatsache, dass er im selben Zug unterwegs war wie ich, schloss ich, dass dies öfters der Fall sein müsse. Ich fragte ihn darum, ob er das allfällige Wiedersehen und die Buchübergabe dem Zufall überlassen möchte. Ich hätte das Buch einfach solange jeden Tag mit mir herumgetragen, bis ich ihm auf dem Zug wieder begegnet wäre. Im Ärnst! Solche Geschichten liebe ich. Mike wollte mir jedoch lieber seine Nummer geben. Ich gab ihm meine nicht.


Am Abend sass ich mit Patrick beim Nachtessen und sah rätselnd die Nummer von Mike an. Schreiben oder nicht schreiben? Das war die grosse Frage. Patrick muss schon damals geahnt haben, dass ich Mikes Charme hoffnungslos erlegen war.


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